Preußisches Bleisatz-Magazin
Stimmungsbilder

Der Mensch als Spezies 1.628 views 0

Hätten wir als Spezies auch nur einmal innegehalten, hätten auf die unter uns gehört, die den Geist transportieren und nicht die vermaledeite Tat, wir wären weise geworden. Wären eins geworden mit der Natur, die uns unsere Welt bot, ja, mit der Gesamtheit unseres Selbstverständnisses wären wir eins geworden mit dem Sein. So hätten wir die ultimative Sinnfrage lösen können und wären aufgegangen im großen Ganzen.

Nun… es hat nicht sollen sein. Der Konjunktiv wird zum Plusquamperfekt, läßt nur noch Platz für’s Jammern und Lamentieren. Das wir aber jenen überlassen, die immerfort die neuen Taten priesen. Sie haben es verdient.

Uns bleibt, die Spezies abzuschreiben und ad acta zu legen in unser persönliches Archiv. Die Welt wird sich weiterdrehen. Wir werden eine Option gewesen sein, die sich nicht durchsetzte, weil sie, mit freiem Willen ausgestattet, den falschen Weg wählte und einzig nur aus diesem Grund verging. Die Welt wird sich weiterdrehen und andere Spezies werden folgen.

Und wieder werden sie sich entwickeln, ihren freien Willen entdecken, ihr Sein begreifen. Und sie werden, genau wie wir einst, an der Gabelung des Weges stehen, vielleicht, wiederum wie wir, ohne sie zu erkennen. Ist es dann Zufall oder freier Wille, der sie ihre Entscheidung fällen läßt? Ist ihre, war unsere Entscheidung gottgewollt? Ich mag nicht glauben, daß Gott uns in dieser Frage lenken will. Er gibt uns die Option und wartet geduldig, wie wir entscheiden.

Er gab uns alles an die Hand, um zu erkennen, daß die Entscheidung einfach ist. Nimm hier etwas weg, so fehlt etwas, Leg‘ es dort hinzu, so entsteht ein zuviel. Das Gleichgewicht zu halten, ist die Kunst des Seins. Nehmen und Geben gleichen sich aus. Es muß das Böse geben, damit das Gute existieren kann. Im Ausgleich.

Ich muß Euch nicht sagen, was wir stattdessen taten. Ihr seht es ja, erlebt es Tag für Tag. Schon sagen sie Euch, was sich entwickeln wird. Unumkehrbar, unabänderlich. Und es ist gut so. Gott hat es uns gegeben, aber nicht Gott, nein, wir haben es uns selbst genommen. Was bleibt?

In Anstand den Schaden minimieren. In Anstand dem Ende entgegensehen. Uns entschuldigen bei denen, die uns noch folgen und geboren werden in unsere Welt, die wir als Spezies bald verlassen werden. Ob sie uns verzeihen? Ich glaube nicht. Sie werden fragen, warum wir sie überhaupt noch zeugten. Und sie werden recht haben mit ihrer Frage.
Die Welt wird sich weiterdrehen. Sie wird einer neuen Spezies die Option an die Hand geben. Sie wird wieder geduldig warten und beobachten. Vielleicht wird sie alles richtig machen. Gottgeführt oder doch zumindest gottgefällig geduldet ihre Welt des Einklangs aller Dinge verstehend und respektierend. Was für eine schöne neue Welt das wird.

Laßt uns nicht traurig sein, daß wir es nicht schafften. Immerhin sind wir soweit gekommen, daß wir erkennen, was hätte sein können. Schaut nur, diese unendliche Vielfalt, dieses ständige Explodieren des Seins. Wie kann nur jemand, der Augen hat zu sehen, nicht Gott erkennen in all diesem Schaffen? Nichts geht verloren. Gibt es uns einst nicht mehr, gehen wir auf im Ganzen, kommen zurück zu Gott, fügen uns ein in den ewigen Kreislauf. Es gibt keinen Grund, um traurig zu sein. Nichts vergeht. Denn Gott weiß, im Unterschied zu uns: Nimm hier etwas weg, so fehlt etwas, Leg‘ es dort hinzu, so entsteht ein zuviel. Das Gleichgewicht zu halten, ist die Kunst des Seins. Werden, Sein, Vergehen — der Kreis schließt sich. Wir werden bei Gott sein.

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