Preußisches Bleisatz-Magazin
Alltag

Frühstück in Ratingen: Kleiner Prinz 5.860 views 1

Kleiner Prinz in Ratingen — seit Jahrzehnten eine Institution. Die Lage in der praktisch den gesamten Innenstadt-Bereich einnehmenden Fußgängerzone ist ideal. Fährt man von der Düsseldorfer Reichswaldallee, den Europaring kreuzend, direkt auf den weithin sichtbaren Kirchturm am Ratinger Marktplatz zu, so muß man sich letztendlich entscheiden, ob man die für Autos gesperrte Innenstadt nun linksherum oder nach rechts, über die Wallstraße, umfährt. Nach nur 150 m liegt linker Hand eine öffentliche Tiefgarage, die heute, am Sonntag, geschlossen ist. Was (mir) nichts ausmacht, denn der davorgelegene Halteverbot-Bereich ist frei. (Ein Knöllchen dort kostet übrigens 15,— Euro).

Hier, in Ratingens tatsächlich noch besuchenswerter Fußgänger-Passage, liegt das Bistro «Kleiner Prinz». Während im Rest der Innenstadt immer mehr Einzelhändler mit ihrem so eigenen, weil individuellem Charme mangels Umsatz schließen müssen und austauschbare, weil monotone Niederlassungen von Mobilfunk-Anbietern oder 1 Euro-Billigläden überhand nehmen, zeigt die Wallpassage noch teils trotzig, teils erfrischend neu, Präsenz. «It works.», möchte man diesen Individualisten des Einzelhandels Mut machen, die sich dort im täglichen Existenzkampf bewähren. Der Mittelstand jammert immer. Das gehört zum guten Ton. Aber die Zeiten sind halt… ach, wisse wir ja. Ich mag das heute hier nicht vertiefen.

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«Kleiner Prinz» behrrscht optisch die Wallpassage. Ich merke, daß ich mich um eine Bezeichnung herumdrücke. Deshalb hier der Versuch einer Beschreibung. Finden Sie selbst ein passendes Wort für das, was der «Kleiner Prinz» ist. Der Innenbereich des Lokals wird durch eine lange Theke in zwei Hälfte unterteilt. Im vorderen Bereich gibt es ausreichend kleine Tische mit bequemen Sitzgelegenheit. Hier findet sich vor allem in der nicht-sommerlichen Zeit das Ratinger Völkchen, trinkt Café Latte, schaut auf die Flanierenden, grüßt in alle Richtungen. Ratingen ist klein genug, als daß es schier unmöglich ist, hier länger als 30 Minuten zu sitzen, ohne ein bekanntes Gesicht zu treffen. Im hinteren Bereich trifft sich in der Mittagszeit das Büro-Volk zum schnellen Nüdelchen. Gut, schmackhaft, im ursprünglichen Sinne preis-wert. Qualität ist nun einmal nicht billig. Was abends hier so abgeht, weiß ich einfach nicht. Ich war noch nie nach 18 Uhr Gast hier, vielleicht ein Fehler.

Um den Thekenbereich selbst muß (oder darf) man jederzeit damit rechnen, Herrn Hecht himself, den Gastronom der Lokalität, anzutreffen. Er ist Rheinländer wie ich selbst. Mag ein jeder Leser für sich entscheiden, ob er uns als Menschenschlag nun mag oder auch nicht. Wir sind, wie wir sind und wir stehen dazu.

Ansonsten findet man in der Passage den Bioladen, der — mir fremd, deshalb drücke ich mich vorsichtig aus — viel Gesundes aus dem Bereich Öko-Lebensmittel anbietet. Hier wird wohl auch Gesinnung für Grün Pur vermittelt. Warum nicht?

Gerade lese ich als Beschreibung zu einem Frisör-Salon, den es dort, glaube ich, gar nicht mehr gibt (Oder doch? Ich bin verwirrt…) «Nach Feng-Shui (Die Kunst und Wissenschaft von Leben in Harmonie mit der Umgebung) folgend hat Adriano Coroneo, seine Salons umgebaut und eingerichtet. Die warme Atmosphäre und der positive Energiefluss, laden zum Verweilen ein…» Ist das nicht zum Brüllen? Ob die mir auch meine 3 mm rasieren? Na gut, tut ja niemandem weh.

Gleich gegenüber des vorderen Bereiches des «Kleinen Prinzen» ein… ja, was? Eine Boutique? Nein, viel zu individuell und mit Liebe zum Detail eingerichtet. Ich kenne mich in diesem Metier halt nicht aus. Sie verkaufen dort Damen-Bekleidung der stilvollen Art. So ein Mix aus «Landhaus-Kleider» (sagt man so?), luftig, weit, bequem und entsprechende passende Accessoires für’s Weibervolk. Ein Laden für erwachsene Frauen, keine Teenies, scheint mir. Paßt sehr gut in die beschriebene Umgebung. Nennt sich «kOntraste». Text in Bildsprache umzusetzen, ist immer gut. Kann ich als gelernter Schriftsetzer beurteilen.

Aber jetzt zu meinem eigentlichen Besuchsanlaß: Ich will frühstücken. Und entscheide mich zunächst einmal für die große Terrasse im Innenhof. Bestimmt acht bis zehn Tische. Heute, am Sonntagmorgen um 10:00 Uhr, angenehm frische Luft, nicht zuviel Publikum, Blick auf den Hof mit Kopfsteinpflasterung, der als Fußgänger-Abkürzung für den Weg zum Markt und umgekehrt dient.

Die Bedienung ist fix zur Stelle und kompetent. Ich bestelle Kaffee und ein Wasser. Mir wird das Buffet empfohlen. Gut. Gekauft. Das Buffet ist im Innenbereich direkt gegenüber der Theke aufgebaut. Es gibt kaltes und warmes Buffet. Ah. Also Brunch. Gut, gut. Aber ich will ja nur frühstücken, heute einmal deftig bitte. Und hole mir auf einem kleinen Eßteller etwas Lachs, aufgeschnittenen Schweinebraten, Käse. Obst. Ich möchte gern noch etwas frisches Obst. Gibt’s nicht. Oh. Warum nicht? Vielleicht nur, weil halt Sonntag ist? Ich vergesse zu fragen. Also erst einmal kein Minuspunkt. Schieben wir’s auf den Sonntag. Mir ist lieber, sie bieten dann gar kein Obst, als zwischengekühltes von gestern. Als Alterative nehme ich mir ein Schälchen Party-Tomaten mit Mozzarella-Kugeln in Essig und Öl. Gar nicht so mein Ding zum Frühstück, sieht aber gut und lecker aus.

Mittlerweile hat mir die Bedienung schon meinen Kaffee und das Wasser gebracht. Wouh… Der Kaffee ist «Erste Sahne», ein Schümli, wie ich ihn am liebsten mag. Und schau mal: Das Wasser im Weinglas mit Eiswürfeln und einem Stück Zitrone. Also dafür gibt es unbedingt ein dickes Plus. Guter Kaffee ist die halbe Miete bei einem Frühstück. Und Liebe zum Detail ist das A&O eines jeden Dienstleisters. Zwei frische Brötchen dazu und drei Butter-Mini-Päckchen. Ein Tusch: Die erste Bewährungsprobe. Kennen Sie diese steinhart gefrorenen Butterpäckchen, die sie aufmeißeln müssen, um sie auf’s Brötchen zu verbringen? «Streichfähig» — nach meiner Erfahrung ein Fremdwort in viel zu vielen Frühstücks-Cafés. Und hier? Optimal. Test bestanden. Capeau!

Fakt ist: Sowohl der Lachs, als auch der Braten-Aufschnitt waren frisch. Ja, ich weiß um die hochsommerlichen Temperaturen, aber von der Hitze hochgebogene Käsescheiben und völlig erschöpfter Aufschnitt sind einfach nur völliges «No Go». Keine Spur hiervon im «Kleinen Prinzen».

Ich nutze noch schnell die Gunst der Stunde und bitte drei junge Damen am Nachbartisch, mir den Knopf zu drücken — den Auslöseknopf meiner geliebten Nikon, damit ich auch einmal selbst mit auf dem «Beweisphoto» bin. Sehe aber darauf so scheiße aus — alt, fett, häßlich und krank — daß ich schnell noch eines nur von den Beweismitteln mache, um Ihnen nicht völlig den Appetit zu verderben.

Nun komme ich — nach meinem ehrlich gemeinten Lob — zur Kritik. Das muß einfach sein, denn ich unterstelle dem Gastronomen, Herrn Hecht, Professionalität. Er muß also wissen, daß ich mit 9,25 Euro einfach zuviel für dieses Frühstück bezahlt habe. Ich verstehe durchaus, daß Preise immer Ergebnis einer Mischkalkulation sind. Personal, Miete in teurer Innenstadtlage, das alles muß anteilig umgelegt werden auf die Preise. Aber 9,25 Euro?

Ich vermute — aber ich bin, bitte, kein Gastronom —, daß der Grundgedanke hier ein anderer ist: Was angeboten wird, ist kein Frühstück, sondern ursprünglich ein Brunch-Buffet. Brunch = Breakfast / Lunch (Mittagessen). Betrachte ich es unter diesem Aspekt, hätte ich mir auch (mit 2,— Euro Aufpreis), einen wirklich sehr großen Eßteller mit Kaltem und Warmem vom Buffet aufladen können. Und dann wäre ich nicht nur preis-wert, sondern sogar preis-günstig gefahren.

Vielleicht hätte ich das zwei Stunden später, um High Noon herum, auch getan. Aber ich wollte nun einmal keinen Brunch, ich wollte Frühstück. Und holte vielleicht, nach Definition des «Kleinen Prinzen», einen kleinen Brunch-Teller. So scheint mir die Logik zu sein.

Nun kann der Widerspruch einem professionellen (weil seit langen Jahrzehnten erfolgreichen) Gastronom wie Herrn Hecht nicht unbekannt sein. Es liegt also Methode vor. Kann es sein, daß er hier zur Vertriebsmethode der Selektion über den Preis arbeitet? Überhaupt kein Frühstück anzubieten, geht nicht, wäre kontraproduktiv. Also nenne ich es warmes und kaltes Buffet, was man allgemein mit Brunch assoziiert. Und wer das dann für sich als Frühstück auslegt und entsprechend bezahlt — auch gut. Ob so die Überlegung funktioniert? Letztendlich ist das nur von rein theoretischem Interesse für mich. 9,25 Euro zahle ich nicht (noch einmal) für ein Frühstück.

Schade. Wirklich. Es war überdurchschnittlich. Ich komme wieder, wenn mir einmal nach Brunch sei sollte. Dann liege ich mit 9,25 Euro unschlagbar günstig gegenüber z.B. diesen ganzen Ratinger Business Hotels, die dasselbe für ca. 16,50 Euro am Sonntagmorgen anbieten.

Bis dahin…

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  1. Pingback by Ratingen - Blog - 04 Jul 2010 — 8. Juli 2010 @ 21:40

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