Preußisches Bleisatz-Magazin
Krupp 17

Sushi & Caffee Latte am Rhein 5.284 views 7

Damit das ein für alle Mal klar ist: Ich bin kein Intellektueller, ich bin Arbeiterjunge. Und Du Vollpfosten mach‘ mich nicht dumm an, nur, weil Du Bücher bei mir siehst. Und frag‘ nicht die dämlichste aller Malocher-Fragen «Haste die alle gelesen?». Nee, natürlich nicht. Ich guck‘ mir nur die Bilder an. Sag‘ noch einer, es gäbe keine dummen Fragen. Soch…

Aber jetzt erst einmal: Mahlzeit. Sie denken, Düsseldorf wäre so ein Schickimicki-Ding? Königsallee? Auto-Becker mit den geilen Ferraris? (längst pleite), Currywurst mit Blattgold im Medienhafen oder auf der Oberkasseler Rheinseite, den «Locations der Schönen und Erfolgreichen»? Joh. Gibt es. Ist so. Aber Sie und ich — wir wissen doch, wie das funktioniert. Wenn ein neuer Vertriebsmitarbeiter eingestellt wird, bekommt er 500 Euro für zwei Anzüge von der Stange und ein paar Lederschuhe. Damit er nicht aus lauter Trolligkeit in Jeans, T-Shirt und Sneaker zum Kunden fährt. Dann noch einen Firmenwagen der Golf-Klasse — fertig. Will er nach ein paar Monaten eine Gehaltserhöhung, macht man ihn glücklich, indem man ihm 200 Visitenkarten druckt, auf denen er als «Sales Manager» ausgewiesen wird. Und der Doof freut sich auch noch. Billiger geht’s nicht.

Solche «fixen Jungs (und Mädels)» bilden den Hauptteil der Düsseldorfer Schickimicki. Und der schart sich dann um eine Handvoll sonnenbankgebräunter Großkotze, deren Überziehungskonto bis zum Anschlag ausgereitzt ist und die Dir als abgebrochene BWL-Studenten ganz ernsthaft erklären «Soll-Zinsen kannste als Kosten absetzen, Haben-Zinsen mußte Steuern drauf zahlen. Also mach Schulden, bis der Banker abwinkt.» Der Banker-Arsch winkt aber nicht ab, weil er ja weiß, daß Schnösels Papa letztendlich für Kontendeckung sorgt. Ahh bah… geh‘ mir wech mit dem Gesocks.

Das ist nicht Düsseldorf. Da halte ich es lieber mit den Jungs, die ich seit meiner Kindheit kenne und singe: «Mer sind alles Düsseldorfer Jonges, wä jett well, dä sulle ens kumme. // Knüppel inne Täsch, Schabau inne Fläsch // On wenn ’mer keene Knüppel hant, dann schla‘ ‚mer met de Fläsch. // Die Fläsch es jeplatz‘, da sim’ ‚mer all verratzt, // mer läwe on sterwe för ene Droppe Schnaps.»

Wenn Ihnen dieses mein Bekenntnis zum Düsseldorfer Proletariat noch nicht ausgereicht hat, empfehle ich Ihnen den Düsseldorf-Today Live-Gesang von JayJays Truppe, über die die «Rainer’sche Post» berichtet. Aber wenn, dann behandelt mir die Jungs dort bitte mit Respekt. Die sind echt. Und reagieren… sagen wir… sensibel, wenn sie sich nicht anerkannt fühlen. So’n Rap-Ding ist nicht meins, aber andere Zeiten, andere Musik, mh?

Es gibt also zwei Sorten Düsseldorfer: Die einen verkehren am Altstadtufer oder in Kaiserswerth, dem nördlichsten Stadtteil  und bezahlen 7,50 Euro für einen Café Latte (früher hieß es dort: Draussen nur Kännchen). Die anderen, wir, fahren ans Rheinufer nach «Kappes»-Hamm, Volmerswerth oder in die Flehe, wohin es mich heute zog.

Natürlich gibt es in Düsseldorf auch jede Menge Sushi-Bars. Für die anderen, Sie wissen schon… Aber auch  unsereins findet zum Beispiel direkt gegenüber vom Haupteingang der Uniklinik so eine Art Fast Food Sushi-Lädchen. Echte Japaner. Wie? Nein, nicht lächeln. Das ist eben nicht selbstverständlich heutzutage.  Ein Grieche, der Döner anbietet und es Giros nennt, eine italienische Pizzeria, die von einem Inder betrieben wird und einen Koch aus dem Senegal beschäftigt, ein Kosovare, der mir gutbürgerliches deutsches Essen kochen will — alles das ist heutzutage «total normal, ey». Und deshalb ist ein japanisches Ehepaar, das ein Sushi-Lädchen betreibt, durchaus als Qualitätsmerkmal erwähnenswert.

Jedenfalls machen sie das Sushi frisch und sehr sehr lecker — diese überteuerten 8 Euro-Instant-Sushi-Packs im Supermarkt kann man ja nicht essen. Und die aus den Sushi-Bars nicht bezahlen. Aber schauen Sie doch einfach selbst. Dazu habe ich Ihnen ja das Photo gemacht.

Manchmal schlägt mein Geschmack seltsame Kapriolen. Mir war nach Caffee Latte zum Sushi. Kalt und mit jeder Menge Chemie vom Hersteller Emmi. Ja, manchmal brauche ich das.

Jetzt im Frühsommer ist es herrlich dort am Rheinufer. Man schaut auf diesen Strom, der schon seit Ewigkeiten fließt und noch fließen wird, wenn es uns alle nicht mehr gibt. Die Partikuliere, die auf ihren Schiffen die Waren stromab und stromauf transportieren und unter deutscher, aber auch der Flagge anderer Nationen fahren. Komisch. Ich winke immer — wie als Kind früher. Und die Schiffersleute winken oft zurück. Die Rheinauen vor den Deichen strotzen saftgrün vor lauter Leben. Außer in Köln. Die kapieren es nicht, bauen bis in den Rhein hinein und… Überraschung, Überraschung… tatsächlich: Hochwasser. Wie konnte das bloß passieren? Jedes Jahr dasselbe. Kölner halt.

Wir in Düsseldorf haben Buhnen, die in den Strom hineingebaut wurden und dem Wasser die Wucht nehmen sollen. In meiner Kindheit sind wir zwischen den Buhnen geschwommen. Nur von der Fahrrinne haben wir uns ferngehalten. Da ist die Strömung sehr stark und es bilden sich immer wieder Strudel, die einen hinunterziehen. Ich möchte es trotzdem keinem Kind heute empfehlen.

In meiner Zeit gab es kein «Seepferdchen». Unsere Väter haben uns schwimmen beigebracht. Meiner schickte mich zum 3-Meter-Brett im alten Kettwiger Hallenbad hinauf und sagte mir vorher «Geh hoch, nimm den Kopf zwischen die Knie und laß Dich nach vorn fallen. Wenn Du im Wasser bist, wirst Du automatisch wissen, was Du tun mußt, um zu schwimmen.». Ich schaute dem Alten in die Augen und wußte, daß er genau das meint, was er gesagt hatte. Also ging ich nach oben und sprang. Ein paar mal bin ich fast ertrunken, dann hatte ich den Bogen raus. Fertig. Der Alte selbst hatte das Totenkopf-Abzeichen für Schwimmer im Krieg gemacht. Irgendwas wie: Mit einer 8,8 Flak auf dem Rücken drei Kilometer weit tauchen, zwei T-34 abschießen und auf dem Rückweg mit der Garotte noch einen Russen mitbringen. Ich weiß auch nicht… was blieb mir da anderes übrig als zu springen, bitte?

Wenn Sie ‚mal irgendwann nach Düsseldorf kommen und wenn Ihnen dann danach ist: Schicken Sie mir eine Email. Ich nehm‘ sie mit dort ans Rheinufer an der Fleher Brücke. Sie zahlen das Sushi, ich den Caffee Latte. Und vielleicht frag‘ ich Rainer von der Rainer’schen, ob er mitkommt. Dann singen wir Ihnen das Lied von den Düsseldorfer Jonges vor. Aber dann steigen wir lieber auf Currywurst, Pommes rot-weiß um. Das sind die Farben der Düsseldorfer Fortuna. Könnte gesünder sein als Sushi… Sie verstehen schon, mh? ^^

  1. Kommentar by Gudrun Linde — 17. Juni 2010 @ 22:56

    Ja, und wenn man von da aus unter der Fleher Brücke mit dem Rad durchfährt und dahinter noch ein Stück weiter, dann kommt Himmelgeist mit Rhein und Strand und abends werden da die Kühe am Strand entlang zum Melken in den Stall getrieben. Das ist dann Düsseldorfer Landleben und holländische Meeratmosphäre, wenn die Schiffe die Wellen schlagen lassen. Und der Sonnenuntergang erst…. seufz! Ein äußerst friedlicher Ort. Die Namen der Schiffe lösen manchmal witzige Assoziationen aus und immer, aber wirklich immer schlafe ich da tief und fest auf meiner Decke ein. Manchmal nehme ich Brot und Krabben mit, oder Tomaten und Mozzarella und ein Piccolöchen. Passt das zu Sushi? Dann könnten wir uns da mal treffen, am Rhein (die Düsseldorfer Sprache verstehe ich allerdings nicht, aber ich lausche dann einfach hingerissen der Melodie…!)
    Rheinische Grüße von der anderen Rheinseite auch an Rainer von Gudrun

  2. Kommentar by Preuße — 17. Juni 2010 @ 23:07

    Op de „schäl sick“? ^^
    http://de.wikipedia.org/wiki/Sch%C3%A4l_Sick

    In Himmelgeist sind die Wasserwerke der Stadt. Naturschutzgebiet und wie Du schreibst: wunderschön ruhig. Daß mit dem Nichtverstehen des Dialekts ist nicht so schlimm. Nur bitte auf keinen, nein, auf KEINEN Fall mit Kölsch verwechseln. Sonst fallen die Schotten und bleiben auf Jahre unten. Düsseldorfer Dialekt hat Melodie, so etwas wie französische Anmut. Kölsch ist einfach nur vulgär.

    Rainers Netzseite ist sehr interessant: http://www.rainersche-post.de/
    Ich werde sie verlinken.

  3. Kommentar by Thomas Kersting — 17. Juni 2010 @ 23:29

    Komme gerade vom Rhein geradelt. Es gab einen herrlichen Sonnenunter-, einen ebensolchen Mondaufgang und ein … Kölsch.

    Obwohl ich onnoch 20 Km südlich von Köln wohne, verstehe ich den Düsseldorfer Matsch noch und der Rhein wird hier erst richtig schön! Also bitte nicht so heftig – und die Schiffe heißen hier genauso wie in Düsseldorf und unser „Neues Deutschland“ wurde mit Kölsch gegründet.

    Warum ist es am Rhein so schön!
    Thomas Kersting

  4. Kommentar by Andreas Pichler — 9. August 2010 @ 16:29

    Lieber Georg Kraus,

    „in memoriam Bleisetzer.de“ haben meine liebste und ich heute den von Ihnen empfohlenen Sushi-Shop aufgesucht und waren angenehm überrascht – in der Tat ist die Qualität frisch und gut, und alles sehr bezahlbar.

    Danke für diese Empfehlung!

    Andreas Pichler

  5. Kommentar by P. Meinrad — 12. August 2010 @ 10:28

    Ich möchte fragen, ob Bleisatz-Begeisterte aus den Kunden und Bekannten von Herrn Kraus irgendwo ein Bleisatz Forum weiterführen werden, wo die doch vielen Interessierten sich zum Thema Buchdruck, Bleisatz, alte Schriften etc. austauschen können. Es wäre zu schade, wenn alles so einfach aufhören würde.
    Herzlichen Gruss
    P. Meinrad

  6. Kommentar by Martin Z. Schröder, Drucker — 12. August 2010 @ 12:52

    Daran wäre ich auch interessiert. Wir könnten fürs erste auf Yahoo eine Mailingliste erstellen. Vielleicht ist dies hier nicht der richtige Ort, das zu besprechen, ich werde morgen auf http://www.blog.druckerey einen entsprechenden Eintrag veröffentlichen, damit wir gemeinsam einen Weg finden.

  7. Kommentar by Martin Z. Schröder, Drucker — 12. August 2010 @ 16:22

    Mehr dazu hier: http://www.blog.druckerey.de/index.php?id=404

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