Preußisches Bleisatz-Magazin
Messer raus

Die Deutungshoheit der Wahrheit 3.903 views 5

Die Wahrheit ist uns ein sehr hohes Gut. Von Kind auf werden wir gemahnt, die Wahrheit zu sagen, die Wahrheit zu lieben und oft genug schwören wir als Erwachsene, die Wahrheit zu sagen und nichts als die Wahrheit — so wahr uns Gott helfe. Ach ja, übrigens… Gott, den wir zur Marginalie unserer Welt gemacht haben, fordert uns im Achten Gebot auf: «Du sollst kein falsches Zeugnis geben.» Dieses Gebot stellt er ursprünglich für Sein auserwähltes Volk der Juden auf, aber die Zehn Gebote stellen so etwas wie die Grundsäulen des judäisch-christlichen Glaubens dar, gelten auch für Christen. Aygül Özk, unsere türkische Ministerin für Soziales, Frauen, Familie, Gesundheit und Integration in Niedersachsen, ist zwar gegen religiöse Symbole an unseren deutschen Schulen, was sie aber nicht davon abhielt, beim Ablegen ihres Amtseides die religiöse Formel «so wahr mir Gott helfe» zu sprechen. Unklar bleibt, welchen Gott sie meinte. Andererseits «Gott ist groß» gilt ganz sicher sowohl für Christen, Juden, Zigeuner und Schwule, als auch für Aygül Özk. *)

Aber die Wahrheit ist ein schwierig‘ Ding, weil Auslegungssache. Wir müssen uns nicht einmal auf die Ebene der hohen Politik begeben, um Widersprüche aufzudecken. «Ich hatte niemals eine sexuelle Beziehung zu dieser Frau.» Clinton sagte die Wahrheit. Mann sieht einen Blowjob nicht als Beziehung, sondern als Dienstleistung. Aber bevor Sie nun das Näschen rümpfen — solche Geschichten haben halt immer ein klein wenig Hautgout. Und wir alle — Sie und ich — sind doch keine bigotten Puritaner. Uns ist bewußt, daß wir immer mit drei Fingern auf uns selbst weisen, wenn wir mit dem Vierten auf jemanden zeigen. Was lernen wir also? Wahrheit ist deutungsfähig.

Ach bitte… Ich bemühe mich, in meine Blogeinträge auch meinen etwas skurrilen Humor einfließen zu lassen. Nur das hat mich das klassische Clinton-Beispiel wählen lassen. Die Kampagne gegen ihn hätte in der BRD nicht funktioniert. Wie auch? In unserer Bundesrepublik kann man viermal verheiratet sein und dennoch Bundeskanzler (Prost, Gerd. Immer rin in de hohle Kopp) oder Außenminister (Joschka-nein-ich-guck-jetzt-nicht-auf-ihre-Titten) werden. Hier würde es niemanden stören, wenn sich Außenminister Guido Westerwelle einen Blowjob gönnen würde.

Wir lernen also: Wahrheit ist Auslegungssache.

Um das zu verdeutlichen, wenden wir uns doch nun bitte einmal einem ernsteren Thema zu: Dem gescheiterten Versuch einer Gruppe von deutschen Friedensbemühten und «Free Gaza», die Blockade des Gaza-Streifens durch die Israelis zu durchbrechen.

Kurze Zusammenfassung in RTL II «Blitz-News» Manier: In Palästina schlagen sich Juden und Moslems seit Urzeiten gegenseitig die Köpfe ein. U.a. deshalb hat es der Landstrich politisch auch nie zu etwas gebracht. In der Neuzeit haben erst die Türken Palästina beherrscht, die immerhin Nachbarn waren. Die wurden dann von den Engländern vertrieben. Die zwar geographisch weit weg wohnten. Aber so ist das Empire halt. In der Belfour-Deklaration von 1917 an die Zionisten versprach England Palästina den Juden. Im Ersten Weltkrieg versprach England Palästina den Arabern, weil sie deren Unterstützung brauchten. Das zeigt im Kern den Auslöser des Konfliktes auf, der bis heute anhält. Beide Seiten — Juden und Araber — sehen sich im Recht.

Nun hätten sie diesen Konflikt längst untereinander geklärt — ja, richtig: In einem Krieg. Der dann mit einem klaren Ergebnis geendet hätte und nicht, wie jetzt, in einem endlosen gegenseitigen Töten. Wenn da nicht diese immens wichtige strategische geographische Lage Palästinas wäre. Da ist der Suezkanal, da ist die arabische Halbinsel mit dem Öl. Es ging und geht also um wesentlich mehr als nur um einen schmalen Küstenstreifen am Mittelmeer. Grund genug für die Engländer, zweigleisig zu fahren — deshalb auch «Perfides Albion». Im Kalten Krieg übernahmen dann die U$A Palästina in ihre Interessenszone, unterstützten Israel und die UdSSR als ihre Gegner übernahm die Aufrüstung der umliegenden arabischen Länder. Und seitdem geht das Töten mit modernen Waffen weiter. Wer da letztendlich «Recht» hat, mag ich nicht entscheiden. Das gegenseitige Morden wird weitergehen.

Nun hat Israel gerade für die BRD eine Sonderstellung. In den deutschen Geburtskliniken werden jedem Neugeborenen bei der Entlassung von der Babynahrungs- und -zubehör-Industrie ein Care-Paket mit auf den Weg gegeben — natürlich völlig uneigennützig. Israel steuert diese kleinen Aschesäckchen mit dem Aufdruck «Die Schuld, die Schuld, die übergroße Schuld» bei, die zur Grundausstattung eines jeden neugeborenen Deutschen gehören — natürlich ebenfalls völlig uneigennützig. Diese Maßnahme hilft uns, nie zu vergessen.

Wir stehen also treu an der Seite Israels, was immer auch geschehe. Zu erwähnen wäre noch, daß die BRD ja keinesfalls souverän ist, sondern fest eingebunden in der NATO und dazu noch der militärischen Oberhoheit der U$A unterstellt. Allein schon aus diesen Gründen sind wir zur Bündnistreue verpflichtet. Und daß und warum eben die U$A Israel unterstützen, bedarf wohl keiner besonderen Erläuterung, oder?

Seit die Hamas, die Partei der muslimischen «Gotteskrieger», die tatsächlich freien Wahlen im Gaza gewonnen hat, blockiert Israel dessen freien Zugang. Begründung: Waffenschmuggel unterbinden. Vorsicht: Gut und böse sind Adjektive, die man in diesem Konflikt mit äußerster Zurückhaltung anwenden sollte. Beide Seiten begehen Unrecht. Beide morden, beide sind fanatisch von ihrem Recht überzeugt. Wobei man durchaus auf eine gewisse «Ungleichheit der Mittel» hinweisen darf, wie Clausewitz es wohl formulieren würde. Die Israelis zeigen immer einmal wieder Reste von Kassam-Raketen, die Kämpfer der Hamas auf israelisches Gebiet schießen. Allein hieran kann man schon die Irrationalität erkennen. Das eingesetzte Waffen-Arsenal Israels verhält sich zu den Kassam-Raketen in etwa wie die Leistungsfähigkeit eines antiken Commodore C64 zu einem modernen Pentium-PC. Mit jedem Vorzeigen einer dieser zumeist selbstgebauten Kassam-Blechbüchsen weist Israel im Grunde genommen nur auf dieses absurde Ungleichgewicht hin. Wo, bitte, ist nun hier die Wahrheit? Wo die Lüge? Ich kann es Ihnen wirklich nicht sagen.

Aber was ich Ihnen sagen kann, ist, daß eben diese Frage nach Wahrheit und Lüge auf eine Deutungshoheit hinausläuft. Denn wir leben im Zeitalter der Medien und der Kommunikation. Die Wahrheit ist, was uns als solche vermittelt wird. Von wem? Na, von eben den Medien, in deren Fokus wir stehen. Merke: Die Medien der BRD stellen die 4. Gewalt der Republik dar. Ihre Kontrollfunktion haben sie längst verloren — sofern sie sie jemals hatten. Wer die Medien beherrscht, hat die Deutungshoheit über die Wahrheit. Das wußte und perfektionierte schon Dr. Goebbels.

Und so kommt es, daß der Überfall der israelischen Armee auf die Hilfsgüter-Flotte, die die Blockade des Gaza-Streifens in einem symbolischen Akt durchbrechen wollte, derzeit umgedeutet wird. Fakt ist: Die Schiffe befanden sich außerhalb der 12-Meilen-Zone, die auf der ganzen Welt als jeweiliger Bestandteil der Hoheitsgewässer eines jeden Staates gilt. Der Angriff war also nach dem weltweit gültigen Seerecht nicht legitimiert. Israel beansprucht einseitig eine 200-Meilen-Wirtschaftszone, die sich aber ausschließlich auf eben die wirtschaftliche Nutzung bezieht. Hieraus ein Recht auf einen militärischen Einsatz abzuleiten, ist hanebüchen.

Nun darf nicht immer wahr sein, was wahr ist. Aus Sicht des westlichen Bündnisses, dessen Bestandteil die BRD ist, darf Israel einfach kein Unrecht haben. Andererseits darf man aus politischem Kalkül auch nicht die Länder vor den Kopf stoßen, die in diesem Konflikt gegen Israel agieren, allen voran die Türkei und natürlich die vielen muslimischen Länder. Denn wir haben sie ja auch lieb. Wegen ihrem Öl, ihrer strategisch wichtigen Lage und gerade wir in der BRD nicht zuletzt wegen der Bereicherung unserer Kultur, die sie uns mitbringen, wenn sie in die BRD einwandern. Also greifen wir zur Großen Merkel-Lösung: Wir fordern eine umfassende und genaue Prüfung der Angelegenheit. Und können fest davon ausgehen, daß das Wischi-Waschi-Untersuchungsergebnis, das uns ein paritätisch besetzter Untersuchungsausschuß in rund einem Jahr vorlegen wird, dann auch wirklich keine Sau mehr interessiert. Aber wir haben halt untersucht. Thema durch, weitermachen. Soweit die offizielle Linie, die der political correctness folgt.

Aber wir haben ja gelernt, daß die BRD-Medien die 4. Gewalt im Staate sind. Man könnte sie auch die Zweite Front nennen. Das, was nicht opportun erscheint, offiziell zu verlauten, kann über diese 4. Gewalt gesteuert werden. Das beginnt bei der Auswahl der Bilder und Videos, die uns täglich in der Printpresse, vor allem aber im Fernsehen, als Wahrheit verkauft werden. Durch die Beschlagnahmung sämtlichen Bild- und Video-Materials der Hilfsgüter-Besatzung haben die Israelis zunächst einmal dafür gesorgt, daß immer dieselben schrecklichen Bilder und Filmsequenzen gezeigt werden, in denen wilde Horden mit Stangen und anderem auf die friedlich angreifenden israelischen Elite-Kampfeinheiten eindreschen. «Dabei wollten wir sie nur friedlich begrüßen.» Das sagte ein immer noch unter Schock stehender israelischer Fallschirmjäger in einem Interview des israelischen Fernsehens. Joh… Was soll man dazu noch sagen?

Die WELT, Flaggschiff des Springer-Verlages und somit traditionell getreu an der Seite Israels (Bei Einsendung eines der zuvor erwähnten Aschesäckchen für deutsche Neugeborene gewährt die WELT dem Einsender ein Frei-Abonnement für ein Jahr), deckt nun Hintergründe auf und will belegen, daß diese Friedensaktivisten von den afghanischen Taliban, also Al Quaida, gesteuert werden.  Verstehen Sie den Mechanismus, dem diese Logik folgt? So funktioniert die 4. Gewalt in der BRD.

Meine Meinung: An den erschossenen Aktivisten kommt niemand vorbei. Mich interessiert auch die politische Einstellung dieser Erschossenen nicht. Vielleicht waren sie sogar schwul? So what? Die Verhältnismäßigkeit der Mittel war nicht gegeben. Eine hochmoderne Kampfeinheit, in der die Elitesoldaten im Nahkampf ausgebildet sind, erschießt nur dann Gegner, wenn sie genau das tun will, wenn es ihr Auftrag ist. Auch, wenn sie sie durchaus anders überwältigen könnten. Sie sind dazu sowohl technisch als auch mental in der Lage. Also haben sie diese Menschen mit Vorsatz erschossen. So etwas nennt dann jeder Staatsanwalt Mord. Lassen Sie sich also nichts anderes erzählen, auch nicht von der WELT oder anderen Vertretern der 4. Gewalt der BRD.

Ich befürchte, daß in unserer Gesellschaft aus dem deutschen Antisemitismus, der zu den Vernichtungslagern in der Zeit des Nationalsozialismus geführt hat, längst ein Philosemitismus geworden ist. Und daß eben dieser Philosemitismus vom BRD-System zynisch benutzt wird, um politische Ziele zu legitimieren. Ein Mittel, um dies zu realisieren, ist die Ausnutzung der Deutungshoheit der Wahrheit. Besser wäre, wir alle wären weder Anti-, noch Philosemiten, sondern schlicht Kinder Gottes, wie auch immer wir Ihn nennen mögen. Amen.

*) Haben Sie übrigens bemerkt, daß ich diese Formulierung mittlerweile als eine Art «Geflügeltes Wort» über meinen Preussen-Blog ins deutsche Volksgedächtnis implementiere? 😉

  1. Kommentar by Thomas Kersting — 4. Juni 2010 @ 01:06

    Lieber Georg Kraus,

    Sie haben mittlerweile in einigen, zuletzt den beiden Köhler- und jetzt diesem Artikel(n) immer kräftiger und deftiger die Missstände in unserem Deutschland, der ganzen Welt und die Macht der „4. Gewalt“ aufgezeigt. Sie haben sogar schon zum Aufstand gerufen – müßte ich jetzt suchen wo – und Günter Horn bei „Horst Köhler, die Zweite“ auch.

    Meine Herren, Sie gehören zu dieser „4. Gewalt“. Setzer und Drucker sind ein Teil davon und lassen sich bisher als Handlanger missbrauchen!

    Wir haben auch selbst die Möglichkeit, Änderungen herbeizuführen: Wieviele Leser hat dieser Blog und wieviele davon sind Drucker? 20, 50 oder 100 oder mehr? Es könnte hier ein pdf-Dokument zur Verfügung gestellt werden und jeder Drucker druckt und verteilt dezentral, in den entferntesten Winkeln Deutschlands, entsprechend der Größe seiner Stadt oder Gemeinde und den Möglichkeiten seiner Infrastruktur den Aufruf zum Auf- und Widerstand. Da sicher der Nerv des Volkes getroffen wird, kann sich eine solche Initiative auch zu einer politischen Institution entwickeln. Wir brauchen jetzt keinen Propagandaminister sondern einen Wahrheitsminister!

    Sind wir überzeugt, dass sich etwas ändern muss, müssen wir den Worten auch Taten folgen lassen! Wer möchte weiterdenken und ist dabei?

  2. Kommentar by Preuße — 4. Juni 2010 @ 08:24

    Lieber Thomas Kersting,
    wir leben im Zeitalter der Hl. Kommunikation. Twitter, WordPress-Blogs, YouTube, Foren und nicht zuletzt UMTS und WLAN sind Basis unserer Kommunikation und nicht das gedruckte Wort, verteilt von emsigen lokalen Kräften.

    Ja, richtig: Ich rufe zum Aufstand auf. Ich will Sie alle an den Schultern packen und kräftig durchschütteln. Ich flüstere Ihnen die Wahrheit ins Ohr, die Sie längst fühlen, aber noch nicht als konkrete Option verstehen. Ich initiiere einen Aufstand des Geistes und will erreichen, daß Sie die Zusammenhänge erkennen, die Methode haben.

    Ich lebe das, was andere eine «Alternative Lebensart» nennen, ohne Aussteiger zu sein. Habe mich auf die Wurzeln meines Berufes besonnen und diese Leidenschaft zum Broterwerb organisiert. Mittlerweile habe ich mich daran gewöhnt, in wirklich jeder Woche Besuch zu bekommen, die nur schauen wollen, gar nicht kaufen. Das ist in Ordnung. Von Kollegen wie Ihnen, aber auch von Leuten jeden Alters, vom Studenten bis zum über 80jährigen ehemaligen Drucker. Sie alle kommen, staunen und empfinden Freude, weil Sie alle bei mir Gelegenheit bekommen, in eine längst untergegangene Welt einzutauchen. Das zeigt mir deutlich auf, daß die Menschen in unserem Land eine tiefe Sehnsucht nach den Werten unserer alten Zeit bewegt. Diese Zeit ist abgelaufen, ist Gestern und Vorgestern. Es bringt nichts, den Schluß zu ziehen, daß wir diese «gute alte Zeit» reaktivieren müssen. Das ist Vergangenheit. Aber die Werte selbst, die bleiben, sind ewig. Es gilt also nicht, reaktionär oder gar revanchistisch zu denken und zu handeln, sondern es gilt, das Bewußtsein eben dieser mit der alten Zeit untergegangenen Werte wieder in Erinnerung zu bringen. Ich behaupte, daß Sie genau dies machen, indem Sie den Menschen in Ihrem Umkreis Einsicht in Ihr Denken und Fühlen geben. Und siehe da: Die Menschen verstehen. Ich habe hier Seminarteilnehmer, denen vor Nervosität die Gesichtszüge in alle Richtungen zucken, wenn sie, bewaffnet mit zwei Handys, zu mir kommen, um Setzen und Drucken zu lernen. Ich nehme ihnen dann erst einmal die Handys ab, schalte sie aus und lege sie in meine Schreibtisch-Schublade. Nach drei, vier Tagen sitzen sie dann völlig entspannt in meiner Setzerei bei einer guten Tasse Kaffee und ziehen Bilanz. Tatsächlich erwähnen alle, daß sie neben den Techniken vor allem gelernt haben, die Zeit in einem neuen Verhältnis zu sehen. Sie haben gelernt, daß sie ein Gegengewicht zu ihrem stressigen Alltag finden können. Das gibt ihnen Mut und Kraft. Ja, und sie begreifen sogar die Mechanismen, die uns alle fest im Griff haben und immer tiefer in eine innere Unzufriedenheit führen. Sie sehen einen Ausweg. Genau das ist es, was ich ihnen hatte zeigen wollen. Jeder kann seine eigene «Alternative Lebensweise» finden. Eine Beschäftigung, die ihm zunächst einmal Freude macht und dann auch noch den Lebensunterhalt finanziert.

    Ich stehe also als Beispiel für eine funktionierende, individuelle Lösung. Die grundsätzliche Erneuerung des Denkens jedoch ist system-bedingt. Und es ist nicht an uns Alten, hier die Avantgarde spielen zu wollen. Das ist nach meiner festen Überzeugung das Privileg der Jugend. Es braucht das Ungestüm, das Visionäre einer Utopie, das schiere Verlangen der Tat und Junge Wilde, die genau das thematisieren (Rio Reiser & Ton, Steine Scherben, Do it! — Jack Rubin,). Wir brauchen keine Steineschmeisser wie Joschka Fischer und Anhänger Kommunistischer Bünde wie Jürgen Trittin. Wir können nicht auf Konstellationen der Vergangenheit zurückgreifen und deren Methoden des Widerstandes kopieren. Es funktioniert nicht. Eine jede Zeit hat ihre eigenen Probleme und muß ihre eigenen Lösungen finden. Die 68er krankten nicht an ihren Ideen an sich. Es war gut, den Mief der 50er wegzuwischen. Aber sie hinterließen leere Sockel nach ihrer Wertestürmerei. Genau das ist ihre Schuld. Sie hätten wissen können, daß ein Vakuum immer automatisch aufgefüllt wird von der stärksten Kraft. Und das war der Kommerz, das Geld, der Neoliberalismus und Neokapitalismus. Genau das führte zu dem, was wir heute vorfinden. Wir (ja, wir gehören ja auch zur Generation der 68er) hatten unsere Chance gehabt und sie nicht bzw. falsch realisiert.

    Ich bin nur ein kleiner Schreiberling, der das, was ihn innerlich bewegt, thematisiert. Ich freue mich, wenn ich Denkanstöße geben kann, aber die Initialzündung für eine gesellschaftliche Veränderung muß von der jüngeren Generation ausgehen. Es ist ihre Zukunft, um die es geht, nicht die unsrige. Unserer Generation bleibt die individuelle «Alternative Lebensweise», die uns ein zufriedenes Leben schenkt.

  3. Kommentar by Thomas Kersting — 5. Juni 2010 @ 01:25

    Lieber Georg Kraus,

    ‚komme gerade vom Rhein geradelt und es gab einen herrlichen Sonnenuntergang und ein ebensolches kühles…

    Ihr Kommentar erstaunt mich doch sehr! Verträten Sie den Standpunkt, dass Sie aufgrund Ihrer momentanen Situation andere Prioritäten für die Zukunft setzen, ist das voll zu akzeptieren. Doch sich hinsetzen, gute Gedanken produzieren und dem Herrgott einen schönen Tag lassen?

    Lassen Sie mich kurz einige Zahlen der letzten Bundestagswahl zitieren:
    “Bei der Bundestagswahl 2009 waren insgesamt 62,2 Millionen Bürgerinnen und Bürger wahlberechtigt, davon war gut die Hälfte im Alter von 30 bis 59 Jahren. Die Generation ab 60 Jahren stellte mit 20,4 Millionen fast ein Drittel aller Wahlberechtigten, und damit fast doppelt so viele wie die jüngere Generation unter 30 Jahren, die mit 10,2 Millionen etwa ein Sechstel aller Wahlberechtigten ausmachte. Gleichzeitig erreichte die Altersgruppe 60-69 Jahre mit 80,0 Prozent die höchste Wahlbeteiligung, während diese in der Altersgruppe 21-24 Jahre mit 59,1 Prozent am niedrigsten war.“

    Ich drucke jährlich über 100.000 Prospekte für ein Produkt! Diese Prospekte werden in 15 Städten Deutschlands verteilt. Allein über 15.000 Menschen der Generation 60+ entscheiden sich für dieses Produkt. Über das Internet wäre das niemals zu erreichen! Der „Interessent“ hat die Informationen über das Produkt jederzeit in der Küchenschublade liegen und braucht keinen Computer hochzufahren. Das Produkt ist übrigens (klassische) Musik.

    Googel ich im Internet nach meinen Interessen, so werde ich erschlagen mit Informationen. Habe ich für mich brauchbare Seiten gefunden, gibt es am nächsten Tag schon wieder neue. Wir, die erklärten Junggesellen und freien Individualisten, dürfen und haben die Zeit, uns so zu informieren. Wir sind aber nicht repräsentativ! Der brave Familienvater hat bitte bei der Gattin zu sitzen und DSDS zu gucken. Kurzum: Es gibt eine riesige Menge mehr oder weniger brauchbarer Seiten im www und auch Sie bieten z.B. die Spatzenseite an. OK, Fanatiker lassen sich durch „ihre spezielle Seite“ manipulieren, bekommen sie auf einmal etwas handfestes (Papier) in die Finger, werden sie es mehr beachten als eine ungeliebte Internetseite. Soweit sind wir schon wieder!

    Sie und ich haben eine Tochter, die mehr schlecht als recht vor sich hin studieren – nein, nicht wegen mangelnder Intelligenz, sondern weil die Rahmenbedingungen schlecht sind. Sind unsere Kinder dann fertig, sind wir nicht wie bisher stolz, sondern besonders stolz auf sie! Sie werden dann, wenn sie Glück haben, einen wiederum mehr schlecht als recht bezahlten Job, vorzugsweise im öffentlichen Dienst, bekommen. Nach spätestens dreieinhalb Jahren sind sie schwanger, und wir sind wieder stolz – und im Rückblick auf die doch gegenüber den paar Berufsjahren schönen, zwar nicht volkswirtschaftlich produktiven Studienjahre – werden sie noch quasi während des Erziehungsjahres erneut schwanger werden… Bei aller Liebe, denen können wir nicht die Verantwortung überlassen, die haben andere Sorgen!

    Lese ich an anderer Stelle von Ihnen, dass Adenauer auf (bewährte) Nazis nicht verzichten konnte, weil keine Alternativen mehr vorhanden waren (logisch, die waren im Krieg gefallen oder im KZ ermordet), verstehe ich nicht nicht, dass auf einmal die „Jungen“ ran müssen. Wir, die „Alten“ sind noch da, und die Jungen haben kein Interesse! Schauen Sie doch einmal einem 22-jährigen über die Schulter: Bei jeder Gelegenheit läuft ProSieben: „Schön gebumst ist reich(lich) gekotzt“ oder „Grace‘ Atomonkel“. Erst kürzlich lief dort ein Bericht über eine Tierschutzstation in einem Entwicklungsland, finanziert durch deutsche Spender. Eine Harz IV-Empfängerin wurde vom Sender begleitet bei ihrer „ehrenamtlichen Tätigkeit“ für die Vermittlung von Hunden für deutsche Interessenten! Die Kosten für den Einsatz des Fernseh-Teams allein hätten weit über 100 Familien dort das Überleben für mehr als ein Jahr gesichert.

    Die Jungen werden es schon schaukeln: Während einer Diskussion mit einer 19-jährigen stellte ich in den Raum: „Im Kriegsfall werden auch keine Busse mehr fahren!“ Antwort: „Das kann nicht sein, denn dann kann ich ja nicht mehr in die Stadt fahren“…

  4. Kommentar by CO2 — 6. Juni 2010 @ 23:04

    Lieber Herr Kraus, lieber Herr Thomas Kersting,

    was Sie beiden da sagen: Stimmt!
    Co2

  5. Kommentar by Thomas Kersting — 6. Juni 2010 @ 23:59

    Lieber Georg Kraus!

    Ok! Ich denke, es liegt am Wetter, dass seit dem 2. 6. um 19:04 Uhr in diesem Blog fast kein Wort mehr geschrieben wurde ausser von Georg Kraus und…, oder stammen die 1622 Hits täglich nur noch von Voyeuren, die hier in einer Art Reality-Show die nächsten gesundheitlichen Katastrophenmeldungen abwarten. Kommen diese dann, sind die Kommentare allerdings sehr spärlich und erst bei guten Nachrichten werden die Leser aktiv. Fakt ist, dass ein Großteil der Leser diese Seite nicht wegen Merkel-, Köhler- oder sonstigen zeitrelevanten Themen besucht! Dies ist überhaupt nicht negativ zu sehen und der Preußen-Blog erfüllt daher z.Zt. eine sehr wichtige Aufgabe für viele Leser – und den Autor.

    Fakt ist auch, dass hier viele kritische und gute Gedanken fast unbemerkt verpuffen. Gute Blogs gibt es mittlerweile tausende und darin liegt auch das Problem: Sie werden bei dieser Masse allerhöchstens von ein Paarhundert gelesen. Moderne Kommunikationsmedien wie Twitter, FaceBook, Youtube usw. sprechen ein anderes (falsches) Publikum an (s. ganz o.). Die „Jungen“ verstehen auch zum immer größer werdenden Teil – aus Gründen, die wir Deutschen ja nicht öffentlich benennen dürfen – allein sprachlich die ganze Sache nicht mehr. Eine gute Bekannte muss den fast sprichwörtlichen Wortschatz von 500 Wörten, den unser erster Bundeskanzler benutzt hat, damit ihn alle Verstehen (Anekdote: „Ich, Kennedy“) – aus Gründen, die wir Deutschen ja nicht öffentlich benennen dürfen – mittlerweile auf 200 reduzieren, damit die Schüler sie verstehen. Sie ist Lehrerin an einer deutschen Realschule!!!

    Herr Kraus, Sie und ich haben doch einige Lehrlinge ausgebildet oder zumindest begleitet. Ging es nicht ständig abwärts mit der Allgemeinbildung, dem Arbeitsverständnis, der Anerkennung der Autorität des Ausbilders usw.? Meinen letzten Lehrling musste ich morgens zuhause abholen, damit er überhaupt im Betrieb „vorhanden“ war! Lesen Sie einmal Dr. Michael Winterhoff! Gerade sein letztes Buch „Persönlichkeiten statt Tyrannen“ beschreibt treffend, was in Deutschland inzwischen als Nachwuchs herangezogen wird und die Lehrer und Ausbilder schier zur Verzweiflung treibt und mich mit ernster Sorge für die Zukunft Deutschlands erfüllt, mal ganz abgesehen von der EU.

    Siehe zumindest:
    http://www.michael-winterhoff.de/category/diskussion/

    Nochmal!: Denen können wir die Zukunft unseres Landes nicht überlassen. Und auch dem Gockel könnten wir Vater sein; er ist ein Fehler unserer Generation! Nicht der, sondern wir haben den Aufbau und die 48-Stunden-Woche noch erlebt – und da gehen wir wieder hin inkl. Rente mit 67 oder 70. Wenn Sie „nur“ Denken und nichts Tun wollen oder können – auch ich möchte mich lieber auf meiner individuellen Insel in der Sonne ausruhen – geben Sie wenigstens zu, dass wir 50+ über die Intelligenz, das Wissen und auch die Möglichkeiten verfügen, diesem Land noch nutze zu sein?

    Mit Rücksicht auf meine öffentlichen Auftraggeber dürfte ich hier solche Töne garnicht anschlagen! Dummerweise bin bin ich so Veranlagt, nach dem Denken auch zu handeln.

    In diesem Sinne,
    Thomas Kersting

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