Preußisches Bleisatz-Magazin
Messer raus

«Ihr Opfer darf nicht vergebens gewesen sein.» 3.281 views 7

Nun sind sie begraben, die drei Bundeswehrsoldaten, die im Kampf gegen die Taliban in Afghanistan «für Deutschland fielen. Ihr Opfer darf nicht vergebens gewesen sein.». So sprach Frau Bundeskanzlerin Angela Merkel im Verlauf ihrer Trauerrede am Grab der Kameraden. Und mir gehen diese Sätze nicht aus dem Kopf.

Betrachten wir doch einmal, wie die Medienlandschaft, die «4. Gewalt in der BRD», das Vorgehen der Frau Bundeskanzlerin kommentiert. Hierbei ist mir aufgefallen, daß sehr häufig darauf hingewiesen wird, daß Frau M. ihren Urlaub unterbrochen hat, um ihre Trauerrede zu halten. Das scheint belegen zu sollen, wie wichtig ihr der Vorgang ist. Nun ist der Urlaub des Deutschen liebstes Kind, eine Art Hl. deutsche Kuh. Welcher Mensch, und nun gar ein Deutscher, unterbricht schon gern seinen Urlaub? Es verstärkt also noch die bewundernswerte Selbstdisziplin, der sich die Frau Bundeskanzlerin unterzieht. «Nicht einmal im Urlaub läßt sie es sich nehmen, ihrer Pflicht nachzukommen.» Und das wird dann noch einmal gesteigert durch den Hinweis, daß dies das erstemal ist, daß sie eine solche Trauerrede hält. Ich bin zutiefst beeindruckt. Wahrscheinlich hätte ich selbst als Georg Normalverbraucher es bei einem Telefon-Interview mit einem ausgesuchten Journalisten vom Urlaubsort aus belassen, vielleicht hätte ich Herrn Helmut Markwart von Fakten — Fakten — Fakten-Fokus erwählt, der so überzeugend die Argumente der Frau Bundeskanzlerin widerkäuen kann. Das hätte mir ausgereicht. Am Pool sitzend, einen Orangensaft mit Eis durch den Strohhalm ziehend, die Kinder wohl verwahrt bei Natali, der jungen Animateuse aus Russland mit den großen Augen. Ich hätte mir durch die Badehose hindurch den Hodensack gekrault, mich nach Herrn Markworts Wohlergehen erkundigt und ihn beauftragt «Schreiben Se ma‘ das entsprechend Übliche. Se wissen schon, lieber Markwart.» Wir hätten das also auch ohne unnötige CO2-Belastung durch eine urlaubsunterbrechende Heimreise wunderschön als eben solche (Urlaubsunterbrechung) verkaufen können. Aber gut. Frau Bundeskanzlerin hat keine Kinder und auch keinen Hodensack und ob Natali große Augen hat oder nicht, interessiert sie sicherlich nicht, vielleicht hat sie Urlaub an der Ostsee gemacht. Da ist es nicht so weit zur Beerdigung in der St.-Lamberti-Kirche in der norddeutschen Stadt Selsingen. Phoenix, der regierungsamtliche Fernsehsender, übertrug die Trauerfeier live und in voller Länge. Der Frau Bundeskanzlerin war ihre tiefe Betroffenheit deutlich anzusehen. Kein Wort über entgangene Urlaubsfreuden. Das zu formulieren, übernahmen die Medien.

Weiterhin ist mir bei der Recherche zu diesem Artikel aufgefallen, daß es recht schwierig ist, etwas mehr über die gefallenen Kameraden zu erfahren. Die Presse spricht zumeist nur von den «drei Bundeswehrsoldaten, die bei einem feigen und hinterhältigen Anschlag getötet wurden» (siehe meinen Beitrag hierzu in diesem Blog).

Dort begraben liegen Nils Bruns, Robert Hartert und Martin Augustyniak. Drei junge Männer, drei junge deutsche Soldaten. «Sie starben für Deutschland», sagt auch der Herr Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg. Ich unterstelle, daß er dies sagte, um den Angehörigen Trost zu spenden.

Nils Bruns, Robert Hartert und Martin Augustyniak starben nicht für Deutschland. Sie starben für die BRD. Sie starben in einem Krieg, der kein Krieg Deutschlands ist. Sie starben überhaupt nicht in einem Krieg. Denn Krieg gibt es nur zwischen zwei Nationen.

Nils Bruns, Robert Hartert und Martin Augustyniak starben im Verlauf der Besetzung Afghanistans durch die US-Streitkräfte und die Nato. Dieser Einmarsch in ein fremdes Land dient keinesfalls der Befreiung der Bevölkerung, dient nicht dazu, den dort unterdrückten Frauen die Gleichberechtigung zu bringen und ihre Kinder das Lesen und Schreiben zu lehren. Der Einmarsch der westlichen Truppen dient einzig und allein dazu, eine strategisch ungemein wichtige Drehscheibe zwischen Zentralasien, Russland und der an Europa grenzenden Türkei zu sichern. So, daß dort eine immens wichtige Öl-Pipeline durch ein befriedetes Afghanistan geführt werden kann. Westeuropa braucht dieses Öl, um das das wirtschaftliche Wachstum, ohne daß das ganze westliche System nicht funktionieren kann, noch ein wenig länger aufrecht erhalten zu können. Nils Bruns, Robert Hartert und Martin Augustyniak starben für die Interessen des internationalen Kapitals. Sie starben für die BRD, die Teil dieses Systems ist.

«Ihr Opfer war nicht vergebens.», so sagt es die Frau Bundeskanzlerin Merkel. Nein, ich möchte wirklich keine direkte Parallele zu Herrn Dr. Goebbels ziehen. Aber er benutzte genau die gleichen Worte, um das Opfer von 300.000 deutschen Soldaten in Stalingrad zu rechtfertigen. Die Formulierung unterstellt einen tieferen Sinn im Tod der Gefallenen. Ich kann den im Falle der drei Bundeswehrsoldaten und auch der zuvor gefallenen deutschen Soldaten dort in Afghanistan beim besten Willen nicht erkennen.

Dieser ganze Konflikt in Afghanistan ist nicht unser Krieg. Wir sollten dort raus und zwar sofort. Wohlgemerkt: Ich bin kein Pazifist. In meinen Augen gibt es sehr gute Gründe für eine Nation, eine Armee zu unterhalten. Zur Verteidigung der Nation muß es in unserer gewalttätigen Welt erlaubt sein, eine Armee zu unterhalten. Aber wir verteidigen nicht Deutschland in Afghanistan. Wir leisten militärische Hilfe bei der Festigung der strategischen Ziele der USA und der NATO. Das sollte sich jeder bewußt machen.

  1. Kommentar by Minimalist — 13. April 2010 @ 09:08

    Tja… Ich frage mich, wie und ob unsere Kinder und Enkel irgendwann einmal auf diese Zeit zurück blicken werden: Aus der Perspektive einer Zeit in der man NATO, EU, Börse und Euro in einem Atemzug mit Hitlerdeutschland oder der Herrschaft der Kirche über den Verstand und das Lebensglück der (europäischen) Menschheit nennen wird? Oder doch eher ahnungslos im Sinne von Orwell, wo alles immer schon so war wie es ist, dank totaler Gehirnwäsche? Man bekommt direkt Lust, Kinder in die Welt zu setzen, nur damit es auch in ein paar Jahrzehnten noch Menschen gibt, die Ihren Kopf nicht nur nutzen um darin die Kunstmeinungen und das Kunstwissen der Medien zum Wiederkäuen bereit zu halten…

  2. Kommentar by Preuße — 13. April 2010 @ 16:40

    Geschichte ist nie neutral, wird immer von den Siegern geschrieben. Und die Orwell’sche Sprachversion haben wir doch längst. Die Kriegsminister heißen schon seit meiner Kindheit Verteidigungsminister. Wir verteidigen die BRD am Hindukush in Peacekeeper-Funktion, also friedenbewahrend. Neusprech ist gefährlich. Tote Zivilisten sind Kollateralschäden, Minuteman-Raketen treffen punktgenau durch den gesamten Wohnblock im Keller die Zentrale des heimtückischen Feindes. Der ist – aber das war immer schon so – feige und kämpft nur aus dem Hinterhalt.

    Als Deutsche wird man mit toten Säuglingen und Schwangeren aus der Vertreibung im Fernsehen konfrontiert, während im Hintergrund ein Veteran der Roten Armee in Erinnerungen schwelgt und von der faschistischen Bestie spricht, die es zu vernichten gab. Stolz berichtet er, daß man mit dem T34-Panzer natürlich nicht angehalten hat, wenn man einen Flüchtlingstreck einholte. Und immer und immer wieder wurde betont, daß wir ja den Krieg begonnen haben. Wie schade, daß die Säuglinge und die Schwangeren tot sind. Ich hätte sie so gern gefragt, was sie sich eigentlich dabei gedacht hatten…

  3. Kommentar by Minimalist — 13. April 2010 @ 18:21

    Ja, vor diesem Entstellen der Züge sind wir schon mal gewarnt worden… Tragisch nur dass die Entsteller immer wieder scheinbar dasselbe Fähnlein schwenken wie die die Erschlagenen; wenn doch die Entsteller die Sieger und die Entstellten die Besiegten sind, dann macht einen das direkt nachdenklich, wer hier gegen wen angetreten ist…

  4. Kommentar by Preuße — 14. April 2010 @ 05:43

    Vielleicht liegt ja die Wahrheit irgendwo in der Mitte?

    Was meine Peristaltik reizt, sind Artikel wie die im SPIEGEL «Als ein Volk die Welt überfiel»:
    http://www.4shared.com/file/127533049/5c74b48d/Spiegel_1939.html

    Eigenartig übrigens, daß sich die Linksliberalen vor Empörung zu überschlagen pflegen, wenn ein Deutscher das Wort «Volk» verwendet, hier jedoch eben diesem eine Art «Tätervolk-Gen» in die Matrix schmuggelt.

    Die Kriegsschuldfrage ist längst zum Dogma verkommen. Aber klar ist doch: Keine Reaktion ohne vorherige Aktion. Und wie sich der Krieg entwickelt hat, ist ja durchaus nachzulesen. Nur halt nicht in den offiziellen Schulbüchern und diversen Dokumentationen, die heutzutage verbreitet werden.

  5. Kommentar by Minimalist — 18. April 2010 @ 13:55

    -lach- Also, spätestens jetzt liest auch der Verfassungsschutz mit 😉

    Was soll ich sagen? Der zweite Weltkrieg war im Prinzip überfällig… im Sinne eines Krieges der europäischen Mächte untereinander. Wer ein Geschichtsbuch aufschlägt stellt schnell fest, dass hier noch nie was friedlich funktioniert hat: Irgendwelche Machtgruppierungen mussten sich hier schon seit der Antike immer miteinander messen. Irgendeinen Vorwand hat die Propaganda auch immer gefunden, um diesen Machthunger von Einzelpersonen zu stillen. Und spätestens damals, um die Jahrhundertwende, war Europa endgültig ein Pulverfass: nicht nur bis obenhin geladen, sondern auch mit wirklich starkem Pulver…

    Naja, und dann kam der Adolf, komplett mit Bärtchen, Uniform und dem Willen zur Macht, und hat unter dem gestopft vollen deutschen Fässchen ein ordentliches Feuer geschürt… Erfolgreich! Ich glaube nicht, dass es damals viele Menschen in Europa gab, die wirklich gerne wollten, dass Millionen von Menschen umkommen. Aber nach ein paar wenigen Jahren Öl ins Feuer gießen (Propaganda von allen Seiten in alle Richtungen) war einfach ein ausreichend großes Vakuum da (vermutlich in den Köpfen der Menschen), dass es mal wieder passieren konnte.

    Gelitten haben mal wieder nur die Menschen, nicht jedoch die Macht. Die ist nämlich nicht von den Menschen abhängig die sie inne haben; irgendeiner findet sich immer wieder, der nach ihr strebt.

    Und gelitten haben in meinen Augen auch die Deutschen, die bis heute stigmatisiert sind und Schuld eingeredet bekommen, ob sie damals schon geboren waren oder nicht. Vorurteile nennt man sowas wohl… im Allgemeinen.

    Naja, und heutzutage hat man sich wohl auf der Machtebene in Europa halbwegs zusammengerauft. Es wird nicht mehr um Deutsche, Englische oder Französische, oder Evangelische oder Katholische Vorherrschaft gekämpft, sondern über die Vorherrschaft Europas, oder sagen wir lieber der Ersten Welt, gegenüber dem Rest der Welt. Es sind ja mehr als genug Bauern auf dem Brett… Genug Material für Bauern-Opfer.

  6. Kommentar by Preuße — 18. April 2010 @ 14:12

    Ach, warum sollte sich der Verfassungsschutz für meine literarischen Ergüsse interessieren? Die haben doch sicher besseres zu tun. Die Zahl der rechtsextremen Straftaten ist doch schon wieder gestiegen. Hierzu werden auch Hakenkreuz-Schmierereien gezählt — zu recht natürlich. Unsere BRD-Polizei ist aber clever und hat sich mit dem Streifenwagen direkt über das Zeichen des Bösen gestellt:
    http://www.morgenpost.de/berlin/article1285388/Hakenkreuz-vor-Brandenburger-Tor-geschmiert.html

    So kann man verhindern, daß die alte Weisheit von John Lennon widerlegt wird: Onanieren macht nicht blind, man sieht nur schlechter. (Meine Lesebrille zurechtrückend…).

  7. Kommentar by Minimalist — 18. April 2010 @ 15:27

    Naja, weil wir in einem Land leben wo, laut Deinem Link, ein Hakenkreuz eine „geschmierte Schmiererei“ ist. Das Hakenkreuz ist so pfui, dass man um solche Worte als Journalist (ha ha) gar nicht herum kommt. „Ein auf den Boden gesprühtes, volksverhetzendes Symbol“ oder eine ähnliche Formulierung reicht gar nicht aus, um unseren erlernten Abscheu auszudrücken…

    Das Auto wäre vielleicht sinnvoller eingesetzt gewesen, wenn darin Beamte unterwegs gewesen wären, um solche Straftaten zu verhindern… naja.

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