Preußisches Bleisatz-Magazin
Krupp 17

Eine nicht untypische deutsche Familie 2.009 views 0

Das Königreich Galizien gehörte in der Zeit des Ersten Weltenbrandes zum österreichischen Kronland. Ab August 1917 war der Großvater, seines Zeichens Leutnant der Infanterie und beteiligt an der großen Schlacht zur Wiedereroberung der Bukowina und Galiziens durch die Mittelmächte, gemeinsam mit seiner später nachgeholten Ehefrau hier stationiert, lebte und wirkte in der Garnison Lemberg.

Nach dem Zusammenbruch im November 1918 verblieb die Familie im Ort. Dort, in Lemberg, wurde dann zunächst die Westukrainische Republik ausgerufen. Doch schon im Verlauf der sofort aufflammenden schweren Kämpfe zwischen den Polen und den Ukrainern ging Lemberg an Polen.

Die Familie war nur indirekt davon betroffen, bekannte sie sich doch im Sinne der damaligen Bestrebungen Kern-Österreichs und Deutschlands zur Vereinigung des Deutschen Reiches und des österreichischen Kernlandes, die dann später, 1919, durch deren Parlamente auch feierlich beschlossen, durch die Siegermächte des Weltkrieges jedoch verboten wurde, zum Deutschtum. Und so wurde sie von den Polen aus dem Ort vertrieben.

Es verschlug sie nach Ostojow, etwa 25 km nordöstlich von Kielce, einer Kreisstadt, in der im Geburtsjahr des Vaters, 1924, etwa 60.000 Menschen wohnten. Etwa die Hälfte der Bevölkerung bestand aus orthodoxen Ostjuden, die den Handel und das Finanzwesen kontrollierten, während die Polen das Handwerk, die Agrarwirtschaft und natürlich die Verwaltung dominierten. Hier lebte die Familie als Deutsche Minderheit mehr schlecht als recht bis 1936, dem Jahr nach dem Tode des Marschall Pilsudski.

Dieser hatte über eine Militärregierung zwar diktatorisch die Geschicke des jungen Polens gelenkt, war jedoch bei der Bevölkerung äußerst beliebt gewesen und hielt auf strenge Zucht und Ordnung. So gab es Schutzbestimmungen für die im Land lebenden Minderheiten, in  erster Linie Deutsche und, in Ostpolen, Ukrainer.

Der Großvater, Berufssoldat, fand eine Anstellung in einem Gartenbaubetrieb. Die Familie hatte nun drei Kinder, zwei Jungen und ein Mädchen. Sie kannten den Hunger, liefen barfuß umher — nicht anders als viele der polnischen Kinder. Nach dem Tod des Marschalls bekamen die Anhänger eines Groß-Polens die Oberhand im Lande. Nationalistische Kräfte bedrängten die deutsche Minderheit. Es kam zu Ausschreitungen bis hin zu Morden. Die deutschen Kinder wurden am Besuch der Lyzeen — der polnischen Gymnasien — gehindert. Die Familie entschloß sich deshalb, in die Hauptstadt Warschau umzuziehen. Dort gab es die Möglichkeit, die Kinder auf ein katholisches Lyzeum zu schicken. Bis ins Jahr 1939 jedoch spitzte sich die politische Lage dramatisch zu. Auch die Ausschreitungen gegen die deutsche Minderheit eskalierte. Der Vater und der Onkel mußten das Lyzeum verlassen, die Tante wurde dort weiterhin geduldet. Der Vater begann eine Lehre als Radiotechniker.
Jedoch war abzusehen, daß sich die Lage grundlegend ändern würde.

Seit Beginn des Jahres 1938 war offensichtlich, daß es zu einem Krieg kommen würde. Der Vater und auch der Onkel waren Mitglieder der nationalen Pfadfinderschaft. In der Vorkriegszeit waren diese Gruppen in so gut wie allen europäischen Ländern gegründet worden und hatten sich zu einer Art vormilitärischer und nationalistischer Ausbildungsstätte entwickelt. Zu Beginn des Jahres 1939 wurden die beiden aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur deutschen Minderheit ausgeschlossen.

Nach dem Angriff der Deutschen Wehrmacht auf Polen am 1. September 1939 kapitulierte Warschau nach drei Wochen harter Kämpfe am 26. September des gleichen Jahres. Eine Woche später trugen sich der Großvater, der Onkel und der Vater in die Deutsche Liste ein. Der Onkel und der Vater meldeten sich als Freiwillige zur Deutschen Wehrmacht. Nach der Absolvierung des obligatorischen Jahres beim RAD (Reichsarbeitsdienst) und ihrer Grundausbildung wurden sie dem 33. Panzergrenadierregiment der 4. Panzer-Division zugewiesen und kämpften bis zum Ende des Krieges an der Ostfront. Einige Wochen nach ihrer Einberufung verschwand die Tante aus dem elterlichen Haushalt und schloß sich den kommunistischen Partisanenverbänden an.

Die Überlebenden der Familie fanden erst 1970 wieder zusammen.

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