Preußisches Bleisatz-Magazin
Stimmungsbilder

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Nun bin ich sehr wohl gebranntes Kind, wälze mich immer noch bisweilen im Bett der Herz- und Seelenschmerzen. Ja, auch jetzt noch, nachdem das Trennungsjahr hinter mir liegt. Andererseits: Zeit, um eine Zwischenbilanz zu ziehen.

Vom Beginn meiner Pubertät bis ins Alter von 26 Jahren hat sich mein Beziehungsleben mehr oder weniger allein um meine instinktiven Bedürfnisse gedreht. Es gibt da relativ profane Volksweisheiten für: Mitnehmen, was kommt. Sich in der Jugend austoben. Oder auch: Das muß sein, damit man später nicht meint, etwas verpaßt zu haben. Eigenartiger Weise galten oder gelten diese Spruchweisheiten zumeist ausschließlich für männliche Wesen. Ungerecht. Ja, das ist es wohl. Oder haben weibliche Wesen diese Bedürfnisse überhaupt nicht? Das weiß ich nicht. Ich habe jedenfalls nichts ausgelassen.

Mit 26 Jahren wurde ich so langsam erwachsen. Ja, ich weiß: Ich bin Spätentwickler. Aber als es dann soweit war, bin ich es auch sehr konkret angegangen. Mit dem Erwachsenwerden begann ich mich zu fragen, ob dieses nun wirklich mein Leben sei. Ob da Sinn drin läge. Und ich begann zu zweifeln. Ich lebte ohne jede Verantwortung für irgendjemanden, außer für mich selbst. Eine längere Lebensplanung hatte ich überhaupt nicht, wozu auch? Ich lebte das, was ich unter Freiheit verstand. Nur langsam begriff ich, daß Freiheit niemals aus dem Kontext gerissen betrachtet werden darf. Freiheit steht immer im Zusammenhang, z.B. mit Verantwortung. Verantwortung zunächst einmal als Pflicht, vor allem aber auch — und genau das habe ich recht spät erkannt, Verantwortung als Kür der Freiheit.

Mit 26 Jahren nahm ich mir eine Auszeit. Erledigte meine Arbeit, blieb aber ansonsten viel für mich allein und dachte über den Sinn meines Lebens nach. Denn den sah ich (nicht mehr?). Ich hagbe dann sehr konsequent meine Liste der vermeintlichen Lebenswünsche genommen und alles weggestrichen, was mir mehr oder weniger banal oder verzichtbar erschien.

Zum Schluß blieb nur ein Wunsch stehen, der mir unverzichtbar für (m)ein sinnvolles Leben erschien: Ich wollte eine Frau finden, die es zuläßt, daß ich sie liebe. Ich wollte zwei Kinder zeugen, am liebsten ein Mädchen und einen Jungen. Ich wünschte mir eine Frau, die mich liebt, so wie ich bin. Mich unterstützt und mir Rückhalt gibt. Und um die ich mich sorgen darf. Schon immer in meinem Leben lag die größere Schwierigkeit darin, überhaupt erst einmal herauszubekommen, was ich will. Die Realisierung war dann zwar kein leichtes, aber ein überschaubares Problem.

Ich habe „sie“ dann auch gefunden. Zwei Jahre, nachdem ich wußte, was ich suchen muß. Zwei Jahre, in denen ich — ich bin praktisch und pragmatisch veranlagt — mit voller Energie Pläne schuf und auch verwirklichte. Und ein halbes Jahr, nachdem ich aufgehört hatte zu suchen. Und „sie“ mir rein zufällig über den Weg lief.

So habe ich eine feste Beziehung leben dürfen. So richtig mit heiraten, Tochter und Sohn zeugen und aufwachsen sehen, „Karriere machen“ (was ich halt darunter verstehe). Eine bürgerliche Existenz leben. Ein kleines, aber, verdammt noch mal, UNSER kleines Leben. Denn darauf läuft es hinaus: aus ICH ein WIR machen. Meine Freiheit habe ich nie vermißt. Weil ich nie das Verlangen nach etwas hatte, was das WIR gefährdet oder gar zerstört hätte. Weil WIR einander nie so eingeengt hatten, daß die eigenen Grenzen unerträglich geworden wären.

Nun, wo es vorbei ist, lerne ich wieder das ICH zu leben. Auch das erscheint mir jetzt reizvoll und ich freue mich auf mein neues Leben. Aber auf das alte möchte ich nicht verzichten. Aber dafür sorgen Tochter und Sohn schon.

Ich glaube, es kommt für jeden Menschen früher oder später der Zeitpunkt, wo er sich entschließen muß, nun auch Verantwortung zu übernehmen. Und die scheinbar so immens wichtige individuelle Freiheit als das zu sehen, was sie ist: Eine Phase des Lebens, die nicht ewig währt. Und die auch nicht in Unfreiheit enden muß, weil es nun ein Wir gibt. Mit solchen Ängsten muß man fertig werden. Auch das gehört zum Erwachsenwerden.

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